In vielen Amiga-Demos waren für die Zeit atemberaubende Grafiken zu sehen. Was ich mir damals überhaupt nicht vorstellen konnte: Die spektakulärsten Motive waren nachgezeichnete Fassungen anderer Künstler. Einige davon möchte ich hier zeigen.
Original und Nachzeichnung.
Sehr viele Amiga-Demos um das Jahr 1990 enthielten neben spektakulären technischen Effekten immer wieder auch genauso spektakuläre Grafiken. Wie gut kann ich mich noch erinnern, dass mir regelmäßig der Mund offenstand, wenn es wieder einmal so einen Moment in Demos von TRSI, Kefrens, Silents, Sanity und anderen gab.
Was ich damals in den meisten Fällen nicht wusste: Oft war die Amiga-Version nicht das Original, da das Motiv bereits schon teilweise Jahre früher veröffentlicht wurde. Meistens auf den Covern von Büchern und Langspielplatten, wie man im weiteren Verlauf sehen wird. Ich möchte in diesem Beitrag den Begriff „Kopie“ oder „Fälschung“ nicht verwenden. Eher ist es oft eine liebevolle Hommage oder einfach nur eine Nachzeichnung. Wenn ein Amiga-Scener seinen Handle in das Bild integrierte, wollte er damit bestimmt nicht anzeigen, dass er auch der Urheber des Motivs war – nein, er hatte es nur auf den Amiga übertragen.
Ich gehörte auch mit dazu: Unter Anderem zeichnete ich das „Afterburner“-Motiv von ZZ Top ab (erstmals ca. 1988/89), aber ich verwendete solche Grafiken nicht in einem unserer Demos.
Dennoch konnte (oder wollte) ich mir damals nicht vorstellen, dass die tollen Grafiken von Uno, R.W.O, Cougar und anderen vielleicht ebenfalls schon zuvor existierten. Über die Jahre änderte sich das – ich entdeckte Plattencover, und irgendwann machte ich mich einfach mal auf die Suche im Internet. Das Resultat meiner Recherche ist dieser Beitrag. Ich würde mich freuen, wenn einer meiner Leser vielleicht noch weitere Beispiele beisteuern könnte. Die Reihenfolge der folgenden Beispiele ist zufällig, ohne besondere Präferenz. Viel Spaß!
1. Kefrens – „Nightmare“.
„Nightmare“ wurde im Oktober 1988 released und gehörte damit noch zu den frühen Demos auf dem Amiga. Pouet schreibt von einer Co-Produktion, aber ich kenne es nur als Teil des Kefrens Megademo 4. Der Scrolltext und die sonstigen Angaben bei Exotica geben als alleinigen Urheber „Razmo“ an: Code, Grafik, Musik. Die Musik war etwas schräg, damals wie heute (März 2020), und der sich um zwei Röhren windende Scrolltext war ziemlich spektakulär.
Die Grafik war typisch für die damalige Zeit: Ein Fantasy-Motiv. Ein Drache, der sich mit einem gehörnten Totenschädel abwechselt. (Besagten Totenschädel „liehen“ wir uns aus für unseren Weltrekord-Scroller „Skullraider“, hüstel.)
Das Original stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1983 und ist von Larry Elmore. Er illustrierte damals das Dungeons & Dragons Regelwerk mit seinen Grafiken. Man kann das Motiv auf seiner Seite kaufen, oder bei Amazon den schönen Bildband „Dungeons & Dragons Art & Arcana: A Visual History“. Razmo hat den Drachen wieder eher in die Schlangenform gebracht, die der Bedeutung des Wortes „Drache“ näher kommt. Aber wahrscheinlich nicht aus diesem Grund, sondern weil der Platz fehlte. Mit 8 Farben ist Razmo ausgekommen, und alle paar Sekunden färbt sich der Drache um. Das Video kann man hier sehen.
Razmo war noch an ein paar anderen Kefrens-Produktionen beteiligt, zog sich dann aber zurück und übergab bei dem „Guardian Dragon“ Demo den Staffelstab an Laxity. Sein Beitrag war eine Grafik-Cooperation mit R.W.O. (die Pharaonenmasken). Laxity begründete mit diesem Demo das „neue Kefrens“ und ist selbst in dieser Auflistung vertreten, und zwar mit…
2. Kefrens – „Desert Dream“.
Eines der letzten Demos, die ich in meiner aktiven Zeit noch auf Original-Hardware gesehen habe. Und dabei den Soundtrack digital auf DCC aufnahm – das gesamte Demo war genial und gewann bei The Gathering im April 1993 zu Recht den 1. Preis. (Hier ist eine etwas schwammige Aufnahme zu finden, die live bei der Weltpremiere auf der Party aufgenommen wurde. Teilweise verdeckt durch ein Fußball- oder Handballtor in der Halle, dem Austragungsort.)
Laxity übernahm Coding, Musik und Teile der Grafik. Nur wenige dürften wissen, dass der Soundtrack teilweise auf „Fashion Party“ von Ace of Base basiert, denn Ace of Base wird üblicherweise nicht mit elektronischer Musik in Verbindung gebracht. Nun, man sollte sich einmal die europäische Erstveröffentlichung des Debütalbums anhören, denn das klang ganz anders als das US-Release, das neu abgemischt wurde, nachdem „All that she wants“ durch den Charterfolg den „Klang“ der Gruppe definieren sollte. „Fashion Party“ fehlt konsequenterweise auch auf dem US-Release.
Ein Hingucker war der Totenschädel des grünen Aliens direkt nach dem Raketeneinschlag im Intro. Ich fand das Bild total genial und wünschte mir damals, ich hätte solche Ideen.
Nun, es stellte sich heraus, dass auch R.W.O nicht ganz alleine auf diese Idee gekommen ist. Es war Sebastian Krüger, der später noch mehrmals vertreten sein wird und somit wohl so etwas wie der Lieblingskünstler der Amiga-Szene war. Anfang der 1990er Jahre sah man Krügers Werke auf vielen Zeitschriftencovern (zum Beispiel von Kowalski), aber auch auf Schallplatten: Für die Frankfurter Band „Tankard“ erfand er diesen grünen Außerirdischen, der auf vielen Covern zu finden war.
Das Motiv von „Desert Dream“ stammt vom „Stone Cold Sober“ Cover aus dem Jahr 1992. Da ich kein Thrash Metal (und auch kein Heavy Metal) höre, war dieses Motiv für mich damals völlig unbekannt. Ich habe mir die Platte (und weitere, die in diesem Beitrag erwähnt werden) extra aus nostalgischen Gründen im Jahr 2019 gekauft.
3. Majic 12 – „Ray of Hope 2“.
Heavy Metal war anscheinend bei den Grafikern sehr beliebt, denn auch das nächste Motiv hat seinen Ursprung in diesem Genre. „Ray of Hope 2“ von Majic 12 ist besonders in zwei Aspekten bemerkenswert: Die zeitlos coole Musik von Dr. Bully, die durch die Orchestrierung ziemlich episch ist. Der zweite Aspekt ist, dass der Grafiker „Rack“ die Grafiken an seinem russischen Schwarzweiß-Fernseher gepixelt hat. D.h., er hat sie in Grautönen erstellt, die dann im Demo etwas eingefärbt wurden. „Echte“ Farbgrafik war so nicht möglich, aber die „eingefärbte Schwarzweiß-Grafik“ ergab automatisch einen ganz besonderen Look, wie man sehen kann.
Ray of Hope 2 wurde im Jahr 1991 veröffentlicht und gewann den ersten Preis bei der Chromance Party. Danach gab es zwar noch Releases von Majic 12, doch reichte keines an die Popularität von „Ray of Hope 2“ heran.
Der Ladescreen zeigt ein Motiv leicht martialischen Anstrichs: Einen stilisierten Adler, der vor sich ein Schild trägt und in seinen Klauen ein Schwert. Dieses Motiv ist natürlich das Emblem der Thrash Metal Band „Slayer“ (schon wieder Thrash Metal…).
Durch dieses Logo und dem runenähnlichen „S“ ist Slayer auch des Öfteren Ziel von Kritik geworden, besagtes Logo ähnele zu sehr der Ästhetik des Nationalsozialismus. Rack hat den Adler noch mehr stilisiert, und das Schwert hält er auch nicht mehr in seinen Klauen. Ich bin nach wie vor erstaunt, was man damals mit einer Auflösung von 320×200 Pixeln oder sogar weniger und 16 Farben erreichen konnte, denn mehr als 16 Graustufen konnte der Amiga 500/2000 nicht darstellen. Und aus diesen wurden ja die eingefärbten Fassungen abgeleitet. Auch das nächste Motiv stammt aus der Metal-Szene!
4. Sanity – „Interference“.
Zu diesem Demo habe ich ja ein besonderes Verhältnis, wie ich früher bereits geschrieben habe. Fast wären zu den Routinen Grafiken von mir eingeblendet worden. Rückblickend muss ich neidlos anerkennen, dass Cougar aber der bessere Grafiker war. Das Spiel mit den wenigen Farben und Pixeln hat er brilliant beherrscht.
Der Startscreen, „Sanasmatron“ genannt, war spektakulär: Ein Dämonenzug, der, so scheint es, alles verschlingend durch die Nacht fährt. Microforce hat das Demo vor einiger Zeit mal nach Javascript portiert – so ist eben der Technikfortschritt. Damals in Assembler, auf der Suche nach jedem überflüssigen Taktzyklus, und heute in einer interpretierbaren Sprache in einem Browser.
Das Original stammt auch dieses Mal wieder von einem Plattencover: Motörhead – „Orgasmatron“, das siebte Album aus dem Jahr 1986. entworfen wurde es von Joe Pentagno, der für so manches Metal-Cover verantwortlich „zeichnete“, wenn man mir das Wortspiel erlaubt. Man sieht auf seiner Webseite noch mehr Beispiele.
In diesem Fall würde ich sogar sagen, dass mir die Amiga-Version sogar gefällt als das Original. Die Farben sind knalliger, die starken Anteile von Lila wurden zurückgenommen. Das Nachtmotiv wird dadurch stärker betont. Cougar werden wir mit einem zweiten, ikonischen Bild wiedersehen. Wer möchte raten? Natürlich auch hier aus der Metal-Szene.
5. RSI – „Mega Demo“.
Megademos gab es im Herbst 1989 schon lange (das Megademo 4 von Kefrens weiter oben wurde ein Jahr zuvor veröffentlicht), aber das „Mega Demo“ vom September 1989 setzte die Messlatte ordentlich hoch.
Eigentlich wurde es nicht direkt von „Red Sector, incorporated“ entwickelt, sondern von „TCC“, den „The Clumsy Creepers“. Sie nutzten das Mega Demo später auch finanziell und bauten einige dieser Routinen in ihren, ein knappes Jahr später veröffentlichten „Data Becker Demomaker“ ein. Die Musik des Ladescreens ist stark beeinflusst von Jean Michel Jarres „Zoolook“ (ca. ab der 2. Hälfte).
In einem Demoteil sieht man auch eine Version von Arnold Schwarzenegger, die – der Zeit entsprechend – aus der „Red Heat“ Ära stammt.
Der Ladescreen zwischen den einzelnen Teilen wird von Eddie dominiert, dem Maskottchen von Iron Maiden. Eddie ist auf jedem Album zu sehen, und auch auf fast allen Single-Auskopplungen. Dieses Motiv stammt vom Cover der Single „Stranger In A Strange Land“, ausgekoppelt aus dem Album „Somewhere in Time“ von 1986.
Mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet, und sogar die Flamme vom Streichholz war ein wenig animiert. Kurz darauf schloss sich Red Sector mit Tristar zusammen und tritt bis heute als „TRSI“ auf: „Tristar & Red Sector, incorporated“. Immerhin können sie nun auch schon auf über 30 Jahre Szenegeschichte zurückblicken, meinen Respekt! Das Demo kann man hier anschauen.
6. Kefrens – „Guardian Dragon 2“.
Und schon wieder taucht Kefrens auf, bereits zum dritten Mal. „Guardian Dragon 2“ wurde im Sommer 1992 veröffentlicht. Wie bei „Desert Dream“ im Jahr darauf wurde es von Laxity programmiert, und R.W.O steuerte die Grafken bei. Und mitten im Demo taucht ziemlich ohne Zusammenhang chronologisch gesehen zum ersten Mal dieses grüne Alien auf, dessen Totenschädel wir schon weiter oben in Desert Dream gesehen haben. (Zumindest ist das die erste Verwendung in einem Demo, soweit mir bekannt.)
Das Bild passt nicht zum Stil der restlichen Grafiken, aber es ist technisch ziemlich gut gezeichnet, und auch in hoher Auflösung. Klar, dass man so ein Bild nicht einfach in der Ecke verstauben lässt.
Tatsächlich ist dieses Alien wieder von einem Plattencover der Band Tankard entnommen und entstammt ebenfalls der Feder von Sebastian Krüger. Wenn man der Diskografie der Band traut (und das tue ich), dann ist es das zweite Mal, dass das Alien zu sehen ist. Das erste Mal auf einer EP namens – welch Überraschung – „Alien“, und dieses Mal ist es auf einer Best-of Picturedisk abgebildet. (Übrigens ein gutes Beispiel, warum es mehr Spaß macht, Schallplatten zu sammeln. Auf CD wäre das eher schlecht möglich gewesen.)
Ich muss es der Heavy-Metal Szene lassen: Ihre Cover waren oft sehr cool. Ich habe bewusst nur eine Hälfte des Covers abgebildet, denn auf der zweiten Hälfte der Picturedisk ist ein Motiv abgebildet, das ebenfalls in einem berühmten Amiga-Demo zu sehen ist. Wer will, kann ja schonmal raten – der Titel der Best-of könnte bereits einen hilfreichen Hinweis geben: „Hair of the Dog“… Es dürfte einige geben, die jetzt schon wissen, welches Bild weiter unten kommen wird.
7. Turrican.
Ein kleines Intermezzo, denn nun kommt kein Beispiel aus einem Demo, sondern zu einem der bekanntesten und kultisch verehrten Spiele: Turrican. So viel ist bereits über dieses Spiel geschrieben worden, dass man damit ganze Abende lesend verbringen könnte. Mich freut es besonders, dass der Erfinder Manfred Trenz wie ich gebürtiger Saarländer ist. Wir sind zwar nicht besonders viele, aber man findet uns überall.
Die schönste Anekdote zu dem Spiel für mich ist, dass als Titel bis kurz vor Veröffentlichung eigentlich „Hurrican“ angedacht war, und man erst ganz kurzfristig den Namen änderte (wahrscheinlich um den Namen besser schützen zu können). Man kann an dem großen „T“ noch erkennen, dass es eigentlich mal ein „H“ war.
Aber natürlich, und das ist schon seit der Veröffentlichung von Turrican im Jahr 1990 kein Geheimnis mehr, wurde auch dieses Titelbild ganz stark von einer Metal-Band beeinflusst, und zwar der „True-Metal“ (was es alles gibt) Band Manowar. Ihre LP „Kings of Metal“ war die Vorlage für dieses Titelbild. Der nackte Oberkörper des Kriegers ist nun von einer futuristischen Rüstung bedeckt, und in der rechten Hand hält er kein Schwert mehr, sondern eine dem Genre entsprechende Phantasiewaffe. Seine Blitze und die durch sie verursachten Explosionen sind ein wenig verdeutlicht, aber sonst ist die Herkunft eindeutig.
Scheint aber irgendwie gepasst zu haben, denn im Gegensatz zu Trenz‘ Erstlingswerk „The Great Giana Sisters“ ist hier kein Skandal überliefert, zumindest nicht öffentlich.
8. Alcatraz – „Odyssey“.
Für manche das beste Amiga-Demo aller Zeiten, für andere das langweiligste Amiga-Demo aller Zeiten. Fakt ist wohl, dass es das umfangreichste Amiga-Demo aller Zeiten ist. Ich selbst bin kein Fan davon. Damals habe ich es einmal angeschaut, und alle paar Jahre habe ich es wieder versucht, aber ich fand es viel zu zäh und wiederholend. Man kann es erahnen: Ich verstand es nie, warum Hardwired der Silents gegen Odyssey den Kürzeren zog.
Viele der Bilder und Motive in Odyssey waren anderen Motiven angelehnt. Dieses Mal – oh Wunder – nicht von Heavy Metal Plattencovern, sondern wieder aus der Fantasy-Literatur.
Ein Beispiel habe ich stellvertretend für andere Grafiken aus Odyssey abgebildet. Das Original ist von Michael Whelan und stammt bereits aus dem Jahr 1974! In welchem Bildband es damals Alcatraz aufgefallen ist, kann man schwer sagen. Im März 2020 konnte man das Original übrigens auf der Homepage des Künstlers käuflich erwerben. Ein Preis war nicht angegeben, man musste eine persönliche Anfrage stellen. So weit bin ich dann doch nicht gegangen, aber vielleicht interessiert sich jemand dafür? „Outbound“ ist der Titel des Bildes, auf Deutsch sinngemäß „auslaufend“ oder „Hinflug“. Passt sehr gut zum Motiv, wie ich finde.
In Odyssey sind noch mehr Motive zu finden, die auf Werken anderer Fantasy-Künstler basieren, aber ich möchte es bei diesem Beispiel belassen. Ich glaube, gerade zu diesem Demo findet man genügend Webseiten, die sich mit dem gleichen Thema befassen.
9. Sanity – „Jesterday“.
Hier handelt es sich nicht um ein Demo im gewöhnlichen Sinne, sondern eine Music-Disk von Sanity. Natürlich gibt es auf dieser Disk zumindest ein kleines Intro, damit auch etwas „fürs Auge“ geboten wird und nicht nur für die Ohren. Eine Grafik von Cougar möchte ich in diesem Abschnitt hervorheben.
Das Motiv kennt wahrscheinlich so ziemlich jeder, der Anfang der 1990er in der Amiga Demoszene aktiv war: Den dämonischen Hund. In seinem typischen Stil auf den Amiga übertragen, ein beeindruckendes Bild. Mit ihm gewann er den zweiten Preis beim Grafik-Wettbewerb auf „The Party“ 1991.
Anmerkung: Auf der gleichen Party gewann „Odyssey“ den ersten Preis bei den Demos, und „Hardwired“ der Silents kam auf Platz 2. Alleine das zeigt, welch legendäre Party das war. Da wäre ich rückblickend sehr gerne dabei gewesen.
Aber: Metal-Liebhabern wird das Bild bekannt vorkommen. Und in der Tat: Auch dieses Motiv war auf einem Plattencover von Tankard, nämlich „Hair of the Dog“.
Besonders skurril: Es ist die rechte Hälfte des Bildes, das ich weiter oben bei Kefrens „Guardian Dragon 2“ gezeigt habe. Damit hat sich Sebastian Krüger in gleich 3 namhaften Amiga-Produktionen verewigt – wahrscheinlich wurde es so von mehr Menschen gesehen als es bei den Originalen der Fall war. Nur wussten die Wenigsten damals, wer der tatsächliche Urheber der Grafik war. (Auch ich habe es erst vor wenigen Jahren erfahren.)
Aber es war damals eine Höllenarbeit, solche Grafiken zu zeichnen, Pixel für Pixel. Stunde für Stunde. Auf einem 14 Zoll Röhrenmonitor mit maximal 50Hz und gewölbten Flächen. Mit einer Maus, die nicht immer so exakt zu positionieren war und deren Tasten mit der Zeit immer schwerfälliger wurden.
Sicher, auch damals gab es schon Scanner, und es wurden auch einfach eingescannte Grafiken in Demos eingebaut, aber bei Cougar bin ich mir sehr sicher, dass er jeden Punkt in mühsamer Kleinstarbeit einzeln gesetzt hat.
Ja, so wurde damals gepixelt. Ihr könnt es ja mal spaßeshalber nachmachen. Aber bitte beschränkt euch dann auch auf eine Zeichenfläche von 320×200 Pixel und auf maximal 32 Farben. Unten sieht man es in einer kleinen Animation, die den Fortschritt der Grafik in verschiedenen Phasen zeigt. Vom Umriss über erste Farb- und Musterexperimente bis zum endgültigen Bild. Auch diese Phasen habe ich beim Überspielen auf einer alten Diskette gefunden, die ich damals wohl von Cougar bekommen habe, getauscht wurde ja auch schon im Vor-Internet-Zeitalter. Fast schon eine Randbemerkung: Das Sanity-Logo ist auch dem Tankard-Logo nachempfunden.
10. Silents – „Ice“.
Ich verehre The Silents (TSL). Ihre Demos waren damals legendär und auch heute noch fesselnd. Mit „Global Trash 2“ erfanden sie die „Wild“ Kategorie von Demos, und es ist kein Wunder, dass Mitglieder der Gruppe ein erfolgreiches Spielestudio gründeten (nein, sogar zwei) und einer ihrer Musiker, Jesper Kyd, heute einer der berühmtesten Komponisten für Spielemusik ist.
Aber selbst diese Helden haben sich inspirieren lassen. Das Beispiel links ist aus Silents Demo „Ice“, erstellt von der französischen Sektion der Gruppe. Gezeichnet hat es Walt, und es wird als Ladescreen angezeigt. (In dem Demo sind noch andere Anleihen zu finden, aber das ist vielleicht Stoff für eine Erweiterung dieses Artikels.)
Das Original stammt aus der Feder von Wojtek Siudmak. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht liegt es auch daran, dass es Franzosen waren, die dieses Demo programmiert haben, aber ich habe das Motiv nur auf dem Titel einer französischen Ausgabe eines Romans aus dem Dune-Zyklus gefunden.
Also endlich mal wieder ein Motiv, das nicht aus der Metal-Szene kommt. Leider habe ich nicht in Erfahrung bringen können, wie das Werk heißt. Vielleicht ist jemand so nett und sagt es mir. Neben dem Steingesicht ist auch „Pelzchen“ zu sehen, eine Figur von Regis Loisels Comic „Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“, und eine eingescannte Grafik von Boris Vallejo (eine der wenigen Beispiele, bei denen im Demo der Urheber des Originals genannt wird).
Boris Vallejo ist wohl insgesamt der am meisten zitierte Künstler in der Demoszene gewesen. Seine Fantasy-Motive haben damals die Zielgruppe der jungen Nerds getroffen. Warum? Vielleicht verrät es dieses Zitat aus seinem Wikipedia-Eintrag: „Vallejo ist vor allem durch Fantasy-Gemälde berühmt geworden, die vorrangig leicht bekleidete muskulöse Helden und Kriegerinnen darstellen.“
11. Kefrens – „Masterpieces“.
Das letzte Bild, über das ich in diesem Beitrag schreiben möchte, weicht ein wenig von den anderen Bildern ab, denn hier brauche ich die Hilfe von euch: Das Bild ist enthalten auf „Masterpieces“ von Kefrens, einer Slideshow von Anfang 1992.
Neben Bildern, die man in anderen Demos schon gesehen hat, waren auch neue Bilder dabei, zum Beispiel das hier links abgebildete Motiv einer griechischen oder römischen Fratze. Warum weicht dieses Motiv von anderen ab? Nun, zum einen aus dem Grund, dass ich hier die Originalvorlage nicht gefunden habe. Ich habe zwar sehr ähnliche Motive gefunden, aber nicht das Original.
Dennoch scheint es eine Vorlage zu geben, denn ungefähr zur gleichen Zeit habe ich auch das gleiche Motiv zeichnen wollen.
Damals – in der Zeit ohne Scanner – ging man manchmal einen Umweg: Zuerst zeichnete man sich das Bild auf Papier in geeigneter Größe in Relation zum Monitor vor, und danach übertrug man zumindest die Umrisse mit Filzstift auf eine Overheadfolie. Das sparte jede Menge Arbeit.
Auf jeden Fall muss ich damals zufällig das gleiche Motiv in einem Buch entdeckt haben und wollte es ebenfalls zeichnen. Weiter als bis zur Folienvorlage bin ich allerdings nicht gekommen, warum auch immer. Die Folie habe ich nun schon seit gut 30 Jahren… Ich würde aber liebend gerne wissen, was das Original ist. Es muss ja eine bekannte Skulptur sein, die irgendwo abgedruckt war. Die Inverssuche von Google hat mir leider nicht geholfen.
Update November 2022.
Mit Hilfe eines Freundes wurde die Fratze gefunden und identifiziert! Die Schöpfer waren weder Römer noch Griechen, sondern Etrusker. Die Figur stellt einen Gorgonen dar, gefunden in einem Tempel nahe Portonaccio. Die Ausgrabung ist unter dem Namen „Die Ruinen von Veii“ bekannt. Und wenn man es erstmal weiß, findet man bei Google natürlich jede Menge Fotos.
Ende (für diesen Teil).
Dieser Artikel lag schon seit fast einem Jahr auf Halde, jetzt ist er endlich geschrieben. Ende 2018 begann ich, mit dem Kryoflux-Board meine alten Amiga-Disketten zu überspielen. Teilweise waren Disketten von 1987 darunter (eine sogar von 1986, die ich mir wohl mal geliehen hatte), die sich alle noch gut überspielen ließen. Auf ungefähr der Hälfte waren alle möglichen Demos von 1987 bis 1993 drauf, darunter auch viele der oben genannten. An viele andere konnte ich mich noch erinnern, und dann stieß ich auf die Doktorarbeit von Daniel Botz: Kunst, Code und Maschine: Die Ästhetik der Computer-Demoszene. Ein wunderbares Buch! Pflichtlektüre für alle, die mit der C64 und Amiga-Szene groß geworden sind. Und durch dieses Buch motiviert fing ich dann an, das Internet nach den Vorlagen der Grafiken zu durchsuchen.
Es gibt noch zig weitere Beispiele. Besonders Boris Vallejo (den ich damals nicht kannte) scheint Dutzende Grafiker inspiriert zu haben, aber auch Raytracing-Motive aus Büchern und Zeitschriften wurden gerne adaptiert.
Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig mit auf die Zeitreise nehmen!
Hier noch einmal die Quellen der Originale, in Reihenfolge des Erscheinens:
- ZZ Top, Afterburner (Cover LP) und Barry E. Jackson (Motiv)
- Larry Elmore, Basic D&D Ancient Red
- Tankard, Stone Cold Sober (Cover LP) und Sebastian Krüger (Motiv)
- Slayer (Bandlogo)
- Motörhead, Orgasmatron (Cover LP) und Joe Petagno (Motiv)
- Iron Maiden, Stranger In A Strange Land (Cover Single) und Derek Riggs (Motiv)
- Tankard, Hair of the Dog (Cover LP) und Sebastian Krüger (Motiv)
- Manowar, Kings of Metal (Cover LP) und Ken Kelly (Motiv)
- Michael Whelan, Outbound
- Tankard, Hair of the Dog (Cover LP) und Sebastian Krüger (Motiv)
- Wojciech Siudmak (Buchcover)
Falls eine Verwendung der Motive wie hier angegeben nicht ordnungsgemäß ist, bitte ich um eine entsprechende Info.