Im Ryoan-Ji befindet sich einer der berühmtesten Zen-Gärten der Welt, und jeder Japan-Fan hat bestimmt schon Fotos von ihm gesehen. Unser Aufenthalt war nur kurz, aber dennoch sehr beruhigend.
Auf dem Weg mit dem Bus.
Zwei Buslinien fahren den Tempel an, aber nur die Linie 50 fährt direkt vom Bahnhof ab, wo auch unser Hotel war. Busfahren in Japan ist günstig und leicht: Eine Fahrt in Kyoto, egal wohin, kostet für einen Erwachsenen 230 Yen – also gerade einmal knappe 2 Euro.
Zur Fahrt bis zum Ryoan-Ji kann man aber durchaus 45 Minuten einplanen, man sollte daher nicht allzu spät losfahren. Außerdem sind es von der Endstation („Ritsumeikan Daigaku mae“, 立命館 大学 前) nochmal gute 10-15 Minuten zu Fuß Richtung Westen, bis man endlich das Tempelgebiet erreicht hat.
Gleichzeitig ist das aber auch ein natürlicher Filter, der viele der High-Speed Touristen davon abhält, ihn zu besuchen.
Ich sagte, dass mit dem Bus zu fahren leicht wäre. Das stimmt wirklich. Abgesehen davon, dass zumindest am Startpunkt die Busse auch absolut pünktlich fahren, sind die Haltestellen vorbildlich ausgeschildert.
In allen Bussen gab es schon zu meiner Studentenzeit 1999 Displays, die die nächste Haltestelle anzeigten. Damals zeigten die Displays bis auf ganz wenige Ausnahmen die Haltestellen nur auf Japanisch an, was für Touristen natürlich nicht optimal war. Nun, die Zeiten haben sich geändert: Mindestens auf den Hauptlinien in Kyoto befinden sich in jedem Bus nun große Monitore, die je nach Informationswichtigkeit in vier Sprachen (Japanisch, Chinesisch, Englisch, Koreanisch) anzeigen, was passiert.
Ob der Bus an der nächsten Haltestelle anhält (weil ein Passagier den entsprechenden Knopf gedrückt hat), wie die nächste Haltestelle heißt und die Namen der nächsten drei bis vier Haltestellen danach. Wer hat nicht schonmal in einem fremden Land im Bus gesessen und befürchtet, dass er schon die richtige Haltestelle verpasst hatte? Nun, mit dem System ist das eigentlich unmöglich, was für eine wesentlich angenehmere Fahrt sorgt.
Der Zen-Garten des Ryoan-Ji.
Wer zum ersten Mal diesen Zen-Garten sieht, wird eventuell überrascht sein, denn vielleicht hat man ihn sich aufgrund dessen Berühmtheit einfach viel größer vorgestellt. Er ist wirklich nicht besonders groß (je nach Quelle hat er eine Fläche von 25 bzw. 30×10 Meter), was aber seiner Ausstrahlung absolut nichts ausmacht.
An seiner langen Seite ist wie in vielen Tempeln eine Holzterrasse, auf der man sitzt und den Garten auf sich einwirken lässt. Und wenn man sich darauf einlässt, dauert es nur wenige Minuten, bis man die Welt um sich herum immer weniger wahrnimmt.
15 Steine sind in Gruppen zwischen gerechtem Kies platziert. Sie haben keine tiefere Bedeutung, aber: Egal wo man sitzt, wird man niemals alle 15 Steine auf einmal sehen können, sondern höchstens 14. Man sagt, dass man nur alle 15 Steine sehen kann, wenn man durch Meditation erleuchtet wurde.
Ein ganz besonderer Brunnen.
Wenn man auf der Veranda weiter in Richtung Uhrzeigersinn geht, kommt man in der Nähe des Teehauses an ein kleines, sehr berühmtes Wasserbassin, das die meisten Touristen sicher übersehen werden, wenn sie überhaupt von seiner Existenz wissen.
Es ist das „Tsukubai“ (蹲踞) des Ryoan-Ji, das eine einzigartige Besonderheit hat. Erstmal muss man sich für die rituelle Waschung herabbücken, als ein höheres Zeichen von Ehrerbietung und Demut.
Auf dem Steinbecken sind vier Kanji zu sehen (im Uhrzeigersinn): 五, 隹, 止, 矢. Diese haben zwar prinzipiell eine Bedeutung, doch noch keine besondere. Jetzt aber wird es philosophisch: Das Bassin selbst ist außen rund, aber das innere Wasserbecken ist quadratisch.
Es gibt ein japanisches Kanji, das genauso aussieht: 口. Sine Bedeutung ist „Mund“ oder „Öffnung“, was der folgenden Beschreibung noch mehr Tiefe zum Nachdenken geben kann.
Fügt man nun dieses Zeichen (口) zu jedem der oben genannten vier Kanji hinzu, so werden aus ihnen vier neue Zeichen mit einer neuen Bedeutung: 吾, 唯, 足, 知.
Und wenn man jetzt diese vier Kanji im Uhrzeigersinn liest und die üblichen logischen Ergänzungen vornimmt, um einen Satz zu erhalten, ergibt sich „Warere tadada taru koto o shiru“ (吾れ唯だ足ることを知る).
Eine wörtliche Übersetzung der vier Kanji wäre ungefähr „Ich nur genug weiß“. Mit den Ergänzungen wäre eine verständlichere Übersetzung im Sinne des Zen ungefähr „Ich weiß, dass ich genug bin.“ Ein wahrhaft philosophischer Brunnen.
Auf dem Rückweg ein Schlenker zum See.
Auf dem Rückweg sollte man auch noch am See vorbeischauen, denn er liegt landschaftlich sehr schön, und je nach Jahreszeit blühen dort Kirschbäume oder Seerosen. Ein kleiner Pfad führt über eine Steinbrücke zu einer Insel im See, auf der ein Torii steht. Mir ist aufgefallen, dass viele kleine Steine auf das Torii gelegt wurden, aber ich kenne den Grund dafür nicht. Vielleicht kann mir jemand mal bei Gelegenheit sagen, was es damit auf sich hat.
Obwohl die Fahrt bis zu diesem Tempel vom Bahnhof und zurück gute zwei Stunden dauert (ohne die Zeit, die man im Tempel verbringt), kann ich einen Besuch dieses Tempels einfach nur empfehlen. Er ist wunderschön, aber wenn man ihn besucht, muss man unbedingt eine Zeit auf der Veranda sitzen und seinen Geist beim Blick auf die Steine zur Ruhe kommen lassen.