Kürzlich sind mir beim Aufräumen einige besondere Eintrittskarten in die Hände gefallen: Die Eintrittskarten für jede einzelne Amiga-Messe, die ich zwischen 1989 und 1992 besucht habe. Einige davon offenbarten sogar noch mehr Überraschungen, als einfach nur schöne Erinnerungen…
Rückblick.
Wir schreiben das Jahr 1989. Der Commodore Amiga dominiert den Heimcomputer-Markt. Mit dem Erscheinen der Modelle Amiga 500 und Amiga 2000 im Jahr 1987 wurde der Einstieg in die Multimedia-Welt auch für Schüler erschwinglich, und Commodore besitzt nach dem C64 einen weiteren Millionenseller.
Rund um den Amiga bildete sich schnell ein Ökosystem von verschiedenen Hardware- und Software-Firmen, die sich auf den Amiga konzentrierten. Da lag es auf der Hand, dass es auch eine eigene Amiga-Messe geben müsste.
Die erste Amiga-Messe: Amiga’89.
Die erste Amiga-Messe fand auf dem Messegelände in Köln statt – und ich war natürlich dabei! Der Veranstalter, AmiEXPO, war auch in den kommenden Jahren für die Durchführung der Messen verantwortlich. Der Name der Messe war simpel: Amiga’89. Mittlerweile sind bereits fast 25 Jahre vergangen, aber wenn ich mich recht erinnere, reisten meine Freunde und ich mit dem Zug an – und kehrten auch am gleichen Tag wieder zurück, was mindestens 6 Stunden reine Fahrtzeit mit der Bahn bedeutete… Aber wir waren eben jung, noch nicht mal volljährig!
Als ich die Eintrittskarte vor wenigen Wochen nach bestimmt über 15 Jahren zum ersten Mal wieder in meinen Händen hielt, kehrten sofort längst vergessene Erinnerungen zurück. Auf einmal sehe ich wieder vor meinem geistigen Auge, wie wir vom Kölner Hauptbahnhof über die Hohenzollernbrücke zum Messegelände in Köln-Deutz gingen, und mit jedem Schritt immer aufgeregter wurden! Wie wir von immer mehr Menschen umgeben wurden, die offensichtlich das gleiche Ziel hatten: Die Amiga ’89!
Aber das war nicht alles – wie ich längst vergessen hatte, befand sich auch eine Unterschrift auf der Eintrittskarte. Und zwar von Allen Hastings persönlich! Er ist der Erfinder der Software LightWave 3D, einer marktführenden Software im Special Effects Bereich. Damals stellte er Beispielfilme vor, die mit seiner Software erstellt wurden – noch unter dem Namen „VideoScape 3D“. Im Vergleich mit den anderen verfügbaren Tools zu dieser Zeit, war VideoScape/ LightWave nicht nur ebenbürtig, sondern kostete darüber hinaus in Verbindung mit der Hardware nur einen winzigen Bruchteil.
Wenn ich mich recht erinnere, begründete bereits die Amiga’89 die Tradition der „Beschmier-die-Commodore-Wand“. Fotos dazu folgen irgend wann einmal…
Amiga’90.
Wie ich mir schon auf der Eintrittskarte der Amiga’89 vermerkte, stand bereits der Termin für die 2. Amiga-Messe fest. Und so war ich ein Jahr später wieder auf dem Weg nach Köln. Der Preis blieb im Vergleich zum Vorjahr unverändert: 10 DM (Kaufkraft Anfang 2015: knapp 9 Euro). Mit Erstaunen habe ich gesehen, dass die laufende Nummer weit über 20.000 lag – sollte es tatsächlich so viele Besucher gegeben haben?
Die Vermutung scheint zu stimmen, denn ich kann mich gut daran erinnern, dass die Hallen sehr voll waren. Ohne jetzt genauere Statistiken zu kennen, würde ich rückblickend sagen, dass die Jahre 1990 und 1991 die stärksten Amiga-Jahre waren, was Verkaufszahlen, Software- und Hardware-Entwicklungen und Demos angeht.
Auch auf dieser Karte findet sich eine Unterschrift, die ich bereits längst vergessen hatte: Andrew Braybrook! Na, das ist wahrlich ein Held meiner Jugend – immerhin ist Andrew Braybrook der Erschaffer von zwei Meilensteinen der Computerspiele: Paradroid und Uridium, zwei Klassikern auf dem C64! Andrew, Asche auf mein Haupt: Ich habe damals nicht die Originale gespielt! Was ich damit anrichtete, wurde mir leider erst viel später so richtig bewusst, als ich selbst mit Software mein Geld verdiente!
Auf dieser Amiga fanden wir auf der Commodore-Wand eine Botschaft der Demo-Gruppe „Axiom“ aus Neunkirchen/Saar. Dank der damals gut etablierten PLK-Adressen konnten wir mit ihnen Kontakt aufnehmen und so begann eine tolle Freundschaft, die nicht nur auf Computer beschränkt war. Wer damals mit dabei war, wird sich sicherlich noch immer an die legendären Partys zuhause bei Dirk Heib a.k.a. Boones in der Vogelstraße erinnern (und all die Phone-Phreakings)! Zu schade, dass Dirk viel zu früh von uns gehen musste…
Amiga’91.
Die Amiga’91 fand, wie auch in den Vorjahren, wieder in Köln statt. Wahrscheinlich war diese Amiga-Messe in allen Belangen die größte und erfolgreichste von allen: Sie wurde von vormals drei auf nun vier Tage verlängert (der erste Tag war für Fachbesucher), die Nummer meiner Eintrittskarte deutet auf über 60.000 Besucher hin, und die Fläche wurde auf vier Hallen vergrößert. Fand die Amiga’89 nur in der Halle 6 statt, so waren es nun die Hallen 5, 6, 7 und 8!
Auch wir selbst als Besucher waren gereifter und erfahrener – dieses Mal kamen wir mit einem Plan! Erstes Kennzeichen: Wir hatten eine Dauerkarte, und wie ich sehen kann, waren wir auch an drei Tagen tatsächlich dort. Nachdem wir bereits zur Amiga ’90 in der Jugendherberge in Deutz übernachtet hatten, schliefen wir auch einige Nächte während der Amiga ’91 dort.
Außerdem hatte ich das fest geplante Vorhaben, für das Diskettenmagazin McDisk der Gruppe Coma einige Interviews zu führen. Was das anging, war ich auch sehr erfolgreich – auf der Amiga’91 fanden die Interviews mit Boris Schneider (Power Play), Factor 5 und Michael Labiner vom Amiga Joker statt.
Darüber hinaus hatten wir aber noch mehr im Gepäck – zu dieser Zeit wollten wir selbst ein Jump’n’Run Spiel entwickeln, und daher suchten wir auch den Kontakt zu anderen Publishern oder Gruppen. Ich kann mich noch an ein Gespräch mit Frank Matzke von Kaiko erinnern, und wir tauschten auch ein paar Mal einige Grafiken aus – vielleicht finde ich die auch noch irgendwann wieder…
Aus dem Spiel ist leider nichts geworden, vielleicht war es aber auch besser so. Einige frühe Grafiken und Animationsstudien haben die Zeit überlebt und wurden schon in einigen Artikeln hier beschrieben. Und einen Leveleditor für dieses Spiel gab es auch schon. Leider habe ich keine funktionierende Version mehr zur Hand, aber wenn ich mich richtig erinnere, war er auch ziemlich gut, schnell und leicht zu bedienen.
(Anmerkung: Anfang 2019 habe ich beim Überspielen alter Disketten zwei Versionen des Leveleditors gefunden, und ich werde ihn irgendwann einmal mit einem eigenen Artikel hier entsprechend würdigen.)
Amiga’92 (Berlin, Frühjahr 1992).
Gerade mal ein halbes Jahr später war die Stimmung schon eine andere… Das CDTV war gefloppt, der Amiga 600 eine Lachnummer, der Amiga 1200 noch nicht auf dem Markt.
Commodore trat mit dem Amiga also auf der Stelle. Und das war ein Problem! Der C64 war bereits hoffnungslos veraltet, und auch der Vorsprung der Amiga-Familie schwand mit jedem Monat, bzw. die PCs holten dank ihrer Erweiterbarkeit gnadenlos auf. Der Amiga 500/2000 wiederum war seit über 5 Jahren unverändert. Natürlich konnte man den Speicher ausbauen, Festplatten und auch externe Diskettenlaufwerke kaufen – sogar Beschleunigerkarten… aber in punkto Leistungsfähigkeit der Basisrechner hatte sich nichts getan. Ich muss nicht weiter erklären, was das bedeutet, oder? Der Amiga war eine lahme Ente, zum Abschuss freigegeben. Darüber hinaus war die Raubkopierer-Szene auf dem Amiga so umtriebig, dass wirklich jedes Spiel, jede Anwendungssoftware binnen weniger Tage oder sogar Stunden gecrackt und äußerst schnell verteilt wurde. Auch ohne Direkt-Download aus dem Internet… Es war kein Trost, dass es dem Atari ST nicht besser ging. Wenn ein Amiga-Spiel 5.000 Exemplare verkaufte, galt es 1992/1993 bereits als Topseller.
Viele Spiele-Entwickler wandten sich aus den oben genannten Gründen bereits seit dem Vorjahr vom Amiga ab, nur wurde dieser Effekt erst mit einem halben bis ganzen Jahr Verspätung für die Amiganer sichtbar, denn bereits in Entwicklung befindliche Spiele wurden ja noch beendet. Sie sprangen auf die Konsolen auf, die wesentlich bessere Profite versprachen: Das Sega Mega Drive und das Super Famicom von Nintendo (bei uns auch als „Super Nintendo“ bekannt) nutzten Spielmodule, die nicht kopiert werden konnten. (Dass das so nicht ganz korrekt ist, kann man hier nachlesen…) Das versprach wesentlich bessere Margen, und man konnte bzw. man musste wesentlich mehr Aufwand in die Entwicklung stecken, um sich gegen die starke Konkurrenz durchsetzen zu können. Die Konsolen waren außerdem im Vergleich mit dem Amiga leistungsfähiger und brachten zum Teil auch tolle neue Funktionen von Haus aus mit, wie zum Beispiel der legendäre „Mode 7“ des Super Famicom, der zum ersten Mal hardware-basiertes (Pseudo-) 3D möglich machte. Spiele in Millionenauflage waren hier möglich!
Das machte sich auch direkt auf der Messe selbst bemerkbar, bereits auf der Eintrittskarte waren die Zeichen nicht mehr zu übersehen. War doch auf dieser zu lesen: „Willkommen zur Amiga-Fachmesse und zur großen Entertainment-Show für Amiga, PC, Nintendo, SEGA, Atari und Atari Lynx.“, und der offizielle Titel der Messe war „Amiga Berlin 92 & Entertainment 1992“. Der Amiga war also nicht mehr in der Lage, alleine zwei Messehallen zu füllen. Dass sogar Atari mit auf der gleichen Fläche vertreten war, stellte allerdings den höchsten Frevel aus Sicht der Hardcore Amiga-Fans dar. Insgesamt merkte man sofort, dass die Stimmung eine ganz Andere war. Und das lag nur zum Teil an der neuen Location.
AMI-Expo (Köln, Oktober 1992).
Mit dieser Messe endete für mich die Tradition, an einer Amiga-Messe teilzunehmen. Wieder war ein halbes Jahr vergangen, und die Zeichen am Horizont wurden immer deutlicher: Commodore strauchelt! Zwar war die Messe noch immer an vier Tagen geöffnet und sogar auf fünf Hallen verteilt, aber wie zuvor in Berlin stand auch dieses Mal bereits auf der Eintrittskarte: „Willkommen zur großen Computer-Consumer Messe für Amiga, PC und Atari.“ Der Name „AMI-Expo“ deutete zwar noch die Herkunft an, verbarg den Namen „Amiga“ jedoch bereits, um evtl. die zu dieser Jahreszeit bereits etablierte Messe für andere Themen zu öffnen.
Ernüchtert durch die Erfahrung in Berlin, genügte dieses Mal auch eine Tageskarte. An die Messe selbst habe ich keinerlei besondere Erinnerungen mehr. Man merkte einfach, dass man an einem Leichenschmaus teilnahm. Diese Einschätzung wird einigen Amiganern zwar sauer aufstoßen, aber dennoch sollte sie mir gestattet sein, denn ich war selbst über viele Jahre ein treuer Verfechter des Amigas. Heute würde man mich vielleicht „Amiga-Evangelist“ nennen. Rückblickend habe ich dem Amiga vielleicht zu lange die Treue gehalten und hätte früher auf den PC umsteigen sollen. Aber wer weiß schon, was dann passiert wäre…
Auch in den Jahren danach gab es die eine oder andere Amiga-Messe, bzw. Computer-Messen, bei denen der Amiga Teil des Programmes war – aber mit dem Jahr 1992 endete auch endgültig die Dominanz des Amigas.
Update 18.04.2020.
Wie ich aufgrund alter Dateifunde mittlerweile rekonstruieren kann, war ich noch auf einer weiteren Messe, nämlich der „World of Commodore“, die vom 26. bis 29. November 1992 in Frankfurt stattfand. Allerdings ist davon keine Eintrittskarte mehr in meinem Besitz – wenn jemand einen Scan hat, würde ich mich freuen! Damit kann ich auch mein seit Jahren vorhandenes Bauchgefühl bestätigen: Auf dieser Messe habe ich meinen Amiga 1200 mit 120 MB Festplatte gekauft, wahrscheinlich am 27. November – denn an diesem Abend landeten wir noch auf der Omen-Geburtstagsfeier. So, jetzt ist meine Story wieder rund – schon erstaunlich, was man auch knapp 30 Jahre später noch anhand alter Disketten rekonstruieren kann… /Update
Im Jahr 1993 fand vom 5. bis 7. November, wieder in Köln, die „World of Commodore“ statt, bei der angeblich noch immer über 150 Aussteller vertreten waren.
Bereits 1994 war allerdings, bedingt durch den Konkurs von Commodore, der Amiga nur Untermieter in der „Computer’94“ in Köln.
Und so ging es stetig weiter bergab mit dem ehemaligen Star der Computerszene, bis bei der „Amiga 2001“ im Kölner Media Park gerade mal 40 Aussteller ungefähr 1.000 Besucher begrüßen durften…
Die Eintrittskarten werde ich gut und sicher verwahren, sie sind insbesondere dank der Unterschriften von Allen Hastings und Andrew Braybrook mehr als schöne Erinnerungsstücke – sie dürften mittlerweile auch schon fast Unikate geworden sein, mindestens jedoch äußerst rar. Sie stehen auch nicht zum Verkauf!
Aufruf: Zeitzeugen gesucht!
Wer diesen Artikel liest und Dinge aus dieser Zeit hat, wie z.B. Flyer, Prospekte, Preislisten, Zeitungsberichte zu den Messen – ihr könntet mir eine große Freude machen, wenn ihr mir diese eingescannt zukommen lassen würdet (oder schickt mir URLs zu anderen Seiten mit Infos).
Habt ihr damals auf der Amiga’89 bis Amiga’91 Fotos gemacht oder Videos gedreht? Oder auf einer anderen Amiga-Messe? Auch daran bin ich sehr interessiert! Habt ihr Fotos von der Commodore-Wand? Fotos von den damaligen Stargästen (Bitmap-Brothers, Hülsbeck, Braybrook, …)? Fotos von besonderen Aktionen, wie z.B. die Verteilung der ersten Turrican-Levels durch Factor 5?
Bitte lasst es mich wissen und schickt mir eine Mail! Meine Adresse findet ihr z.B. im Impressum.
Tasse mit Unterschrift von Jay Miner.
Daniel hat mir aus Hessen ein tolles Erinnerungsstück per eMail geschickt: Er nutzte die Chance auf ein Autogramm von Jay Miner persönlich, hatte aber nichts außer einer Tasse dabei, die er zuvor von MSS als Messegeschenk erhalten hatte. Und so kam es, dass er seit dem 11. November 1989 eine knallrote – bestimmt niemals genutzte oder gespülte – Tasse besitzt, auf der das Autogramm des „Vaters des Amigas“ zu finden ist. Vielen Dank für die Einsendung und die Erlaubnis, die Bilder hier zu posten!
Privat gedrehtes Video der Amiga ’90.
Wie in den Kommentaren zu lesen [Anm.: Durch einen technischen Wechsel mussten diese leider vorerst entfernt werden.], ist kürzlich ein privat aufgenommenes Video der Amiga ’90 auf YouTube aufgetaucht. Es ist gut 21 Minuten lang und wurde von VHS in wie ich meine überraschend guter Qualität überspielt. Im Fokus stehen vier Jungs aus dem hohen Norden, wenn ich ihr Autokennzeichen richtig interpretiere.
Das ganze Video ist ein „Trip down Memory Lane“, eine Reise in die Vergangenheit: Vor den Hallen, in den Hallen, die berühmte Amiga-Wand… und ab Minute 15:40 sieht man mich bzw. eher meinen Rücken für ein paar Sekunden. An einem der Abende fand offensichtlich in der Nähe des Doms noch ein Treffen statt, und einige wurden gebeten, ihre Shirts in die Kamera zu drehen.
Dem Wunsch kam ich natürlich nach, und oh Wunder: Das Shirt gibt es tatsächlich auch im Jahr 2022 noch! Das Video ist für alle, die damals mit dabei waren, der absolute Hammer. So viele verpickelte männliche Teenage-Nerds in Jeansjacken (ich darf das sagen, ich war auch so einer), die ganz frech an allen möglichen Ständen mal eben schnell Amigas okkupierten um ihre neuen Demos zu zeigen oder – auch im Video zu sehen – mal eben schnell mit X-Copy irgend etwas zu kopieren.
Ich habe besonders auf die Commodore-Wand geachtet. Zwar habe ich unsere eigene Gruppe nicht entdeckt, aber zumindest einen Teil der „Axiom“-Adresse. Und die hat dazu geführt, dass wir kurz darauf die Jungs hinter Axiom kennenlernten, die ein paar Kilometer weiter weg wohnten. Einer von ihnen, Microforce, war zusammen mit „unserem“ Cosmos später der Hauptcoder von Sanitys „Interference“.
(Update vom 22. Januar 2022)
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