Das Disc-Center Weikersheim – Zeitreise ins Jahr 1991.

Wer in den 1990ern Musik „online“ bestellen wollte, kam nicht an dem Katalog des Disc-Center Weikersheim vorbei – so auch ich… Eine kleine Zeitreise.

Musik per Post bestellen, Anfang der 1990er Jahre.

Disc Center music magazin 5/91

Vielleicht fragt sich jemand, der nach dem Jahr 2000 geboren wurde, wie „wir“, die Generation der 1970er Jahre, damals Musik gekauft haben? Klar, es gab Plattenläden, und in jedem großen Kaufhaus wie Karstadt oder Hertie gab es ganze Etagen voller Musikartikel. Von spezialisierten Riesen wie WOM („World of Music“) oder Tower Records mal ganz zu schweigen – aber man musste eben zu diesen Läden fahren und egal wie groß sie waren: Man fand dort auch nicht immer alles.

Auftritt Disc-Center Weikersheim: Dieser „Mailorder“ Spezialversand verschickte monatlich einen DIN-A5 großen Katalog, gedruckt auf dünnstem Papier, der so ziemlich alle Musiktitel beinhaltete, die man irgendwie bei uns bestellen konnte. Das waren immer so knapp 300 Seiten, eng beschrieben. Und die Aufregung war groß, wenn der neue Katalog im Briefkasten lag!

37.000 Artikel in einem Katalog!

Fast 300 Seiten wie diese… viel zu lesen

Aufreißen, aufs Sofa legen, durchblättern! Von vorne bis hinten, und entweder die Nummern aufschreiben oder gleich direkt auf den Seiten anstreichen, was man bestellen wollte. Die Auswahl war überwältigend! Man konnte den Katalog gar nicht in einem Rutsch durchlesen.

Hier habe ich die erste Seite aus der Ausgabe 5/91 abgebildet: A Flock of  Seagulls, A Girl Called Johnny, A Guy Called Gerald, A La Carte, A Tribe Called Quest, A.G.A., A.R.P., A.R.T., A.S.A.P., A.U.N., A-ha, … und so weiter und so fort. Bands, deren Namen ich nie zuvor gehört hatte – LOL, die Hälfte kannte ich bis heute nicht, nur Google half weiter. Aber das gehörte ja mit dazu – man hatte das Gefühl, jede noch so obskure Band wäre hier vertreten.

Dead or Alive – Gesamtkatalog 5/91

Und zu jeder Band schien auch das wirklich gesamte Repertoire angeboten zu werden. Im Jahr 1991 bedeutete das: Single, Maxi, LP, MC, CD – aber auch VHS-Video. Doch damit nicht genug, es wurden auch „Special Interest“ Artikel angeboten: Schals, Bücher, Kalender, Spiegel, T-Shirts, Texthefte…

Einziger Haken: Wenn man einen Titel nicht kannte, musste man auf gut Glück bestellen, denn wo konnte man Frühsommer 1991 mal schnell probehören? (Das WWW wurde erst im August 1991 in einer Newsgroup bekannt gemacht.) Ich will nicht wissen, wie viele Fehlkäufe das Resultat waren.

Das Ziel: Staffelpreise und Rabatte.

Staffelpreise des Disc-Centers

Die Preise waren von Haus aus günstig, aber natürlich war es das Ziel, durch möglichst viele Bestellungen Rabatte einzuheimsen. Das ging mit den Versandkosten los, die bei 8,90 DM begonnen, und ab einem Lieferwert von 199 DM komplett entfielen. Aber viel wichtiger war es, Freunde als Mitbesteller zu gewinnen: Wenn man 6 Singles bestellte, sank der Stückpreis z.B. von 1,99 DM auf 1,94 DM – aber, und das war der Haken, das galt nur für Artikel, die mit ** markiert waren. Das waren mit Sicherheit eher Ladenhüter, aber als Teenager hat man daran nicht so gedacht. Zusätzlich bekam man, je nach Warenwert, sogar einige dieser **-Artikel geschenkt. GESCHENKT!!!

Die „leicht erreichbaren Staffelsprünge“ waren aber nur für die leicht, die ganze Klassenstufen zu einer Sammelbestellung überreden konnten – ich stelle es mir eher schwer vor, mit der normalen Clique über 51 Einheiten zu kommen, ganz zu schweigen von 201 Einheiten.

Disc-Center Weikersheim: Eine mittlerweile verschwundene Institution.

Das Disc-Center Weikersheim

Im Sommer 1991 war die Welt für solche Postversand-Dienste noch in Ordnung, wie man im hinteren Teil des Katalogs lesen konnte: „Über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, […] über 600.000 Kunden…“ 50.000 Quadratmeter Regalfläche – und anscheinend gab es noch weitere solcher Firmen.

Für ein paar Jahre gehörte auch ich zu den Kunden, aber dann war es auch ziemlich schnell vorbei: Media Markt und wie sie alle hießen waren auch nicht teurer, und bei ihnen konnte man probehören! Und nach dem Einkauf ging man nebenan in die Kneipe und traf sich mit Freunden. Und dann war da natürlich die Entwicklung des Internets…

1999 schien das Disc-Center Weikersheim in die Insolvenz gegangen zu sein, auch wenn die Löschung aus dem Register erst einige Jahre später geschah. Es ist aber nachvollziehbar: Ich habe noch eine (per Post erhaltene) Rechnung von Karstadt über die Lieferung von zwei CDs durch eine Online-Bestellung im April 1999, und CD-Brenner waren zu dieser Zeit längst zur Massenware geworden. LPs, MCs, Singles – wer kaufte die Ende des vergangenen Jahrtausends noch? Die fand man schon lange nicht mehr in den Regalen, und wer kaufte sich T-Shirts ohne die Motive zu sehen?

Dennoch ist das Disc-Center Weikersheim eine schöne Erinnerung an meine Teenager-Zeit! Und die Gebäude werden mittlerweile von anderen Firmen genutzt.

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