Interview mit Michael Labiner vom Amiga Joker.
Michael Labiner war der Gründer und das Gesicht des Amiga Joker, eine der beliebtesten Spielezeitschriften Anfang der 1990er Jahre. Hier ist ein bislang unveröffentlichtes Interview von Ende 1992.
1992 – 2020. Warum so lange verschollen?
In einem früheren Beitrag habe ich schon ausführlich geschrieben, wie ich dieses Interview neben weiteren mit Albert Absmeier (Amiga-Magazin) und Factor 5 neu wiederentdeckt habe. In Kürze: Als ich Anfang 2019 alte Amiga-Disketten auf den PC überspielte, waren darunter auch viele Dateien, die ich längst vergessen hatte. Zum Beispiel auf einer Diskette, deren Beschriftung gar nicht darauf hindeutete, dass hier alte Interviews schlummern.
Gedacht war das folgende Interview mit Herrn Labiner zur Veröffentlichung im Diskettenmagazin McDisk #6, das allerdings niemals erschien. Um den Jahreswechsel 1992/1993 fand auch mein Rückzug aus der Amiga-„Szene“ statt, weil ich mich sowohl etwas mehr auf mein Studium konzentrieren wollte, aber auch weil wir anfingen, unser Eishockey-Spiel zu entwickeln. Deswegen habe ich wohl nicht weiter versucht, die Interviews an anderer Stelle unterzubringen – und sie gerieten in Vergessenheit. Spätestens dadurch, dass ich im Spätsommer 1995 auf den PC umgestiegen bin.
Interview mit Michael Labiner vom Amiga Joker.
Das Originalband des Diktiergeräts von damals ist nicht (mehr) auffindbar. Daher gehen etwaige Fehler voll und ganz auf meine Kappe. (MD=McDisk, AJ=Amiga Joker)
Interview mit Michael Labiner, Chefredakteur des Amiga-Jokers, des auflagenstaerksten Amiga-Spielemagazins. Das Interview wurde auf der Amiga ’92 in Koeln aufgenommen.
MD: Herr Labiner, wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, ein Spielemagazin auf den Markt zu bringen?
AJ: Nun, ich bin sozusagen ueber das Hobby zum Computer gelangt. Ich war gelernter Journalist (u.a. bei Bild) und es hat mich gereizt, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.
MD: Und wieso dann gerade ein Magazin fuer den Amiga?
AJ: Zu dem Zeitpunkt, als wir die Erstausgabe planten, ueberlegten wir uns natuerlich auch, welchen Computer wir in den Mittelpunkt stellen sollten. Der Amiga versprach die besten Chancen, auf dem Markt zu ueberleben.
MD: Mit welcher Auflage geht der Amiga Joker zur Zeit in den Druck?
AJ: Fuer diesen Monat (12/92) ist eine Auflage von 106 000 geplant.
MD: Zu der Rubrik Joker-Galerie: Bekommt man als Kuenster eine „Gage“? Hat sich die Galerie schon fuer den einen oder anderen Kuenstler ausgezahlt?
AJ: Ja, bis jetzt wurden 5,6 Kuenstler „entdeckt“, die jetzt als Profis taetig sind. Manche sind jetzt Graphiker fuer Spiele, andere malen Cover aller Art – uebrigens wurden auch schon Amiga-Joker-Titelbilder von diesen Kuenstlern gemalt. Was die Bezahlung angeht: Der Abdruck im Magazin wird nicht verguetet. Wir sehen die Galerie mehr als Forum fuer Maler, Graphiker aller Art, fuer die es Belohnung genug ist, wenn ihre Werke einem sehr grossem Publikum zugaenglich gemacht werden.
MD: Zum Thema Dr. Freak …
AJ: Ja, das ist immer ein sehr beliebtes Thema. Wir bemuehen uns, Themen sowohl fuer Einsteiger, als auch fuer „Profis“ zu finden. Zur Zeit ist bei uns der CCC (Chaos Computer Club) dran.
MD: Und nun zur Demo-Galerie. Die Idee einer Demo-Ecke ist hervorragend, doch nach welchen Kriterien waehlt ihr die Demos aus – die neuesten Sachen habt ihr ja nicht gerade…
AJ: Fuer uns spielt nicht das Erscheinungsdatum eine Rolle, sondern ob die Demos schoen zum Ansehen sind. Aus diesem Grunde findet ihr bei uns auch schon mal aeltere Sachen und auch Demos, bei denen nicht die ausgefeiltesten Routinen vorkommen. Wenn uns GUTE Demos in die Haende fallen, dann kommen sie in die engere Wahl fuer die Demo-Ecke.
MD: Nun habt ihr ja seit einiger Zeit auch einen PC-Joker parallel laufen. Ich muss jetzt fragen: Wird der Amiga-Joker so langsam aufs Abstellgleis geschoben?
AJ: Nein, nur keine Angst. Als wir -ganz am Anfang- ueberlegten, ueber welchen Computer wir schreiben sollten, da war auch der PC im Gespraech. Doch zu dieser Zeit raeumten wir dem Amiga einfach bessere Chancen ein. Es gab auch einfach nicht so viele gute Spiele fuer den PC. Diese Situation hat sich mittlerweile geaendert, weshalb wir jetzt auch eine PC-Division gegruendet haben. Aber dadurch wird der Amiga-Joker keinesfalls vernachlaessigt. Wir haben uns quasi nur ein zweites Standbein geschaffen.
MD: Eure weiteren Zukunftsplaene???
AJ: Naechstes Jahr werden wir mit 4 Magazinen auf den Markt gehen. Wir werden noch zwei Konsolenmagazine herausbringen.
MD: Und Ihre persoenlichen Plaene? Werden Sie bis ins Rentenalter Herr ueber Spieletests sein?
AJ: Die naechsten 10-20 Jahre wird noch auf jeden Fall weitergemacht.
MD: Vielen Dank fuer das Interview!
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Rückblickende Bewertung.
Knappe 10 Jahre konnte er in der Tat noch weitermachen, bis Anfang 2001 leider das Ende kam. Der Amiga Joker musste Ende 1996 aufhören (nach der Insolvenz von Commodore und dem Stillstand der Hardware nahmen natürlich auch die Spiele ab), aber die Erstausgabe von damals habe ich heute noch stolz im Regal stehen (am Bahnhofskiosk gekauft, nicht nachträglich bei eBay ersteigert)! Die beiden angesprochenen Magazine kamen leider nicht auf den Markt, zumindest nicht als zwei eigenständige Magazine. Der „Multimedia Joker“ mit Ausrichtung auf Konsolen war zuerst eine Beilage des PC Jokers, dann eine eigenständige, aber kurzlebige Zeitschrift. Der Joker war Kult, und polarisierend – man liebte oder hasste ihn, aber nichts dazwischen. Anfangs war er erfrischend neu und brach mit vielen Konventionen (auch wenn sein Layout in den ersten Ausgaben dem der Amiga Special verblüffend ähnlich sah…), und Dr. Freak sowie die Girl-Seite waren Gesprächsstoff auf dem Schulhof. Für mich ein wichtiger Begleiter über ca. 3-4 Jahre, bis auch ich dem Amiga „Adieu!“ sagte.
Weitere Interviews.
Für McDisk habe ich noch weitere Interviews beigesteuert:
- Mit Factor 5 (Erstes Interview hier, zweites Interview hier, drittes Interview hier)
- Mit Kaiko
- Mit Boris Schneider (damals Power Play Magazin)
- Mit Albert Absmeier (damals Chefredakteur vom Amiga Magazin)