Netzwerk: Oktagon-Demo Frühjahr 1992.
Im Frühjahr 1992 veröffentlichten wir unter dem neuen Namen „Netzwerk“ auf der Amiga ’92 in Berlin das erste Demo namens „Oktagon“ – und machten damit gleichzeitig Werbung für unser geplantes Spiel.
Oktagon – das erste Netzwerk-Demo.
Die „Visdom“-Ära lag nun schon einige Monate hinter uns, und in der Zwischenzeit passierte jede Menge: Wechsel zu Coma, viele Interviews auf der Amiga ’91 für McDisk, erste Ideen für ein Spiel… und im Frühjahr 1992 war es klar, dass wir unser Spiel unter eigenem Namen herausbringen würden. Dieser Name war „Netzwerk“, und wir brachten tatsächlich ein Spiel heraus, nämlich „Crosscheck“, aber das war erst Jahre später. Nichtsdestotrotz wollten wir uns aber schonmal auf der Bühne der Amiga-Welt vorstellen, und das taten wir, wie wir es nicht anders kannten: Mit einem Demo.
Warum wir Zeit verschwenden sollten, um mit einem (nicht besonders neugierig machenden) Demo blumige Ankündigungen von uns zu geben, wusste wahrscheinlich niemand von uns. Aber wir kamen nunmal aus der Demoszene. Wahrscheinlich war im Unterbewusstsein auch jedem von uns klar, dass es zumindest in diesem Anlauf nichts mit dem Spiel wird, also lasst uns zumindest ein kleines Demo machen! Veröffentlichen wollten wir es auf der Amiga ’92 in Berlin. Diese fand vom 2. bis 5. April 1992 statt, und bei Exotica ist es mit dem VÖ-Datum 29.03.1992 gelistet. Wird schon stimmen, da in einem Soundfile auch noch der 22.3.1992 als Datum der Komposition angegeben wurde.
Viele Grafiken, wenige Effekte.
Das Demo hat einen ziemlich langsamen Rhythmus: Einige Text-Einblendungen läuteten das Demo ein: „Netzwerk presents at the Amiga ’92 the first production for the Amiga by…“, gefolgt von der hier wörtlich zu verstehenden Einblendung des „Oktagon“-Logos. Es folgt ein rotierender blauer Vektor-Würfel und ein Wiggle-Scroller (warum auch immer). Danach tauchte ein großes Alien auf, das seine roten Augen öffnet und zu schießen beginnt. Das Alien wird abgelöst durch Vektor-Dots, die einen Flug durch ein Sternenfeld simulieren, und sich danach in einen Dot-Rollercoaster verwandeln. Und dann folgt das unvermeidliche Vektor-Raumschiff.
Die technische Spielerei wird sodann erneut durch eine Grafik unterbrochen: Zwei Aliens, die sich auf einer Art Plattform gegenübersitzen und sich gegenseitig mit einer Waffe bedrohen. Das Bild hatte mit 640 Pixeln damals Überbreite, und so scrollte es in einer Sinusbewegung seitlich hin und her. Ein pulsierendes, nach oben scrollendes Schachbrettmuster läutet den nächsten Part ein, der auch 20 kleine Vektorwürfel beinhaltet. Diese waren allerdings, wie man schon damals sagte, ein Fake: Der Amiga 500 war nicht in der Lage, 20 Würfel gleichzeitig mit 50 fps zu berechnen, also wurde ein kleiner Würfel einfach entsprechend oft geklont.
Und dann endlich folgte der Teil, in dem wir auf unser namenloses Spiel hinwiesen. Wir nannten es „Fakten“, aber um ehrlich zu sein: Es fand bis zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerte Planung statt. Ja, wir saßen regelmäßig zusammen und dachten uns ein paar Sachen und Features aus, aber von Projektplanung oder Projektmanagement konnte nicht die Rede sein. Es wäre ein rechter Zufall gewesen, wenn wir so tatsächlich ein fertiges Spiel hinbekommen hätten. Aber bescheiden waren wir nicht in unseren Ankündigungen: Eine Soundroutine unter 1.5 Rasterzeilen, 8-Wege-Scrolling in 50 Hz und „Turrican-Style“, komplett animierbarer Hintergrund und Feinde in 16 Farben (!), Sprites mit bis zu 64×80 Pixel Größe, animierte Endgegner in halber Bildschirmgröße, 5 Levels, Plasma, Parallax-Scrolling – und ein Intro und ein Outro.
Oktagon – das Video.
Unten ist das komplette Video. Wir haben damals, da wir ja Kontakte in der Spielebranche suchten, unsere Klarnamen im Demo genannt. Zwar ist das Demo prinzipiell seit Jahrzehnten im Umlauf (und auch auf den entsprechenden Internetseiten zu finden), aber ich habe hier dennoch die Namen und Adressen unkenntlich gemacht.
Einige Worte zu den Grafiken.
Ich bereite gerade einen Artikel vor, in dem es um die Pixelkunst Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre geht, denn viele der damals in der Szene so anerkennend begutachteten Grafiken basierten eigentlich auf längst existierenden Vorlagen. Das war mir zumindest damals nicht bewusst, denn oft waren es Heavy Metal Plattencover, und da das noch nie mein Musikstil war, waren natürlich auch die Cover für mich unbekannt. (OK, Iron Maidens „Eddie“ vom RSI Megademo kannte ich, aber das war die Ausnahme.) Dabei hätte ich es doch besser wissen müssen, schließlich habe ich es selbst oft genug gemacht: Das „Afterburner“-Motiv von ZZ Top beispielsweise habe ich nachgezeichnet.
Und auch die beiden Hauptmotive des Oktagon-Demos basierten auf einer Vorlage, die mir Cyborg in kopierter Form mitgab:
Auszüge aus einem Comic namens „Salammbô“ des französischen Comiczeichners Phillippe Druillet. Dem Internet sei Dank: Die Grafiken waren schon immer unter „Salambo“ (sic!) bei mir eingeordnet bzw. ich habe diesen Namen nie vergessen. Aber bis vor wenigen Jahren wäre es sehr, sehr schwer und wohl nur zufällig möglich gewesen, den Autor zu finden. Daher habe ich mittlerweile wenigstens den Comic in einer Neuauflage gekauft. Faszinierende Bildwelten!
Es ist immer wieder erstaunlich, welch Fantasie in manchen Menschen steckt. Dieser Comic gehört definitiv in jede gute Sammlung, direkt neben den Werken von Bilal und Moebius.