Alte Mixtapes, von DCC und Kassette überspielt.
Mixtapes! Vom Radio aufgenommen, oder später sogar über zwei Plattenspieler und Mischpult. Jahrzehnte schlummerten sie in einem Regal, bis ich sie endlich über Wochen und Monate auf den Rechner überspielte.
Die Zeit vor der CD, USB-Stick, iPod, Spotify & Co.
Schwer vorstellbar: Bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre hinein gab es kein bezahlbares digitales Medium, auf dem man bequem Musik in Mengen speichern konnte! Die Preise für CD-Brenner und CD-Rohlinge waren bis Mitte der 90er Jahre utopisch – unter 2.000 DM für einen Brenner und 50 DM für einen CD-Rohling ging es lange nicht, bis diese Technik dann endlich binnen weniger Jahre die Privathaushalte eroberte.
Und USB-Sticks oder iPods ließen noch bis Anfang der 2000er Jahre auf sich warten. (Der Sony MP3 Player, den ich um 1999/2000 in Japan entdeckte, hatte gerade mal 16 MB Speicher.) Spotify startete sogar erst Ende 2008 – also worauf speicherte man damals Musik?
Für viele Jahrzehnte war die Audiokassette in jedem Haushalt zu finden: Entweder vorbespielt, oder viel häufiger noch als leere Kassette, auf die man je nach Typ üblicherweise zwischen 60 und 120 Minuten speichern konnte. Am beliebtesten waren die 90 Minuten Kassetten – sie hatten das beste Preis-/Leistungsverhältnis, und auch die Qualität war besser als bei den 120 Minuten Kassetten.
Als Aufnahmegerät dienten „Tapedecks“, die von jedem namhaften Hersteller in allen Preisklassen verkauft wurden, oft auch als „Doppeldeck“, mit dem man Kassetten kopieren konnte. Allerdings meistens nur in Echtzeit – die „High Speed Dubbing“ Funktion, die normalerweise in doppelter Geschwindigkeit kopierte, führte bei den Consumer-Geräten zu starken Qualitätseinbußen und wurde daher so gut wie nie verwendet.
Exoten: DAT und DCC, später auch MiniDisc.
Das heißt aber nicht, dass es keine digitalen Formate gab – sie waren nur sehr teuer und fristeten daher ein Nischendasein. DAT war bereits ab Ende der 1980er Jahre erhältlich, aber für normale Privatnutzer zu teuer.
Die MiniDisc war ab Anfang 1993 erhältlich, aber die damalige Beschränkung auf maximal 80 Minuten, kombiniert mit deutlich hörbaren Qualitätseinbußen durch die ATRAC-Datenkomprimierung ließen in den ersten Jahren potenzielle Käufer skeptisch abwartend zurück. Erst einige Jahre später war die MiniDisc in der Lage, in punkto Qualität und Speicherkapazität einen deutlichen Vorsprung vor CD und Audiokassette zu erzielen.
Und dann gab es noch die DCC, einen Zwitter: Der DCC-Rekorder konnte die alten Audiokassetten abspielen, und auf eigenen DCC Bändern digital aufnehmen. Zwar musste noch gespult werden, doch es gab einige Vorboten der digitalen Welt: Lieder wurden mithilfe von Track-Markierungen verlässlich gefunden, Lieder konnten auf dem Band betitelt werden – was auf dem Display angezeigt wurde. Und im Gegensatz zur MiniDisc war die Tonqualität von Anfang an „digital gut“.
Aber leider musste man auch dieses Medium spulen, und daher war es nicht verwunderlich, dass die DCC zuerst gegen die MiniDisc und später gegen die wiederbeschreibbare CD keine Chance hatte.
Meine Mixtapes auf DCC und Kassette.
Aber ich hatte so ein DCC Deck!
Ich kaufte es mir für viel Geld (ich glaube, 1.300 DM, was 2019 ungefähr 1.100 EUR entspricht) kurz nach der Produkteinführung und nutzte es ungefähr 5 Jahre lang ziemlich zufrieden. In dieser Zeit war ich Hobby-DJ und besaß zwei Technics SL 1210-MK-II Plattenspieler und Mischpult. (Die Plattenspieler besitze ich heute noch, und sie funktionieren tadellos!)
Also entstanden in der Zeit viele Techno-Mixtapes. Wenige auch auf Kassette, bevor ich aufgrund des DCC-Kaufs natürlich nur noch digital aufnahm.
Die Qualität der DCC-Bänder ist unglaublich: Kein Rauschen, kein dumpfes „Dolby“ – es klingt so wie eine rein digitale Aufnahme von heute.
Aber leider sind die DCC Bänder auch Zeitbomben: Einige der Bänder zeigten bereits jetzt, gute 25 Jahre nach der Aufnahme, einige Aussetzer. Das ist wahrscheinlich bedingt durch die Komprimierung, denn das Band speichert ja nicht die Musik, sondern einen Datenstrom, der dann dekodiert und in Musik umgewandelt wird. Und wenn das Band so sehr verdreckt oder verschlissen ist, dass die Fehlerkorrektur versagt, hört man nur – Stille! Das kann sogar so schlimm werden, dass auch große Passagen der Bänder nicht mehr abgespielt werden. Wer noch einen DCC Player besitzt, sollte daher so schnell wie möglich mit dem Überspielen beginnen!
Eine Zeitreise bis in das Jahr 1986!
Wie ich oben sagte: Die meisten DCCs und Kassetten sind eigene DJ-Mixtapes. Da muss ich mir ein wenig selbst auf die Schulter klopfen, denn teilweise sind die Mixes richtig gut, auch trotz des eher simplen Mischpultes. Ich kann leider dieses Lob nicht belegen, denn ein Upload der Tapes scheidet verständlicherweise aus. Aber auch die Aufnahmen aus dem Radio klingen viel besser, als ich es in Erinnerung hatte. Der Empfang war wohl optimal.
Als kleine Kuriosität fand ich auch Aufnahmen, die ich direkt von meinem Commodore Amiga abgegriffen habe. Diese Aufnahmen gehören wahrscheinlich zu den ganz wenigen, bei denen damals von Originalhardware auf ein digitales Medium aufgezeichnet wurde. Ansonsten wäre nur DAT infrage gekommen, und das war mindestens genauso selten zu finden.
Bilde ich es mir nur ein, oder klingt der Techno-Soundtrack von Kefrens‘ „Desert Dream“ besser als bei YouTube oder den Emulatoren?
Aufnahmen vom C64.
Noch skurriler war eine Audiokassette, die ich aufgrund anderer Titel darauf auf das Jahr 1986 datieren konnte, denn die erste Seite beinhaltet bis auf ein einziges Lied ausschließlich Aufnahmen von C64 Spielen oder C64 Demos. Soweit ich mich erinnern kann, konnte man den C64 nicht direkt mit einer Stereoanlage verbinden, sondern nur mit einem Fernseher. Dieser war dann auch für die Tonausgabe zuständig. Bei TV-Geräten der 1980er Jahre war es unüblich, dass es einen separaten Audio-Ausgang gab.
Also wie nahm ich den Ton auf? Es ist unglaublich, welche Trigger beim Hören dieser alten Bänder ausgelöst werden, aber auf einmal sah ich mich als Teenager vor dem Fernseher meiner Großeltern sitzen, um mit einem tragbaren (für damalige Verhältnisse sicher sehr guten) Diktiergerät mit Mikrofon den Ton vom Fernsehgerät aufzunehmen. Und in der ganzen Zeit mussten meine Großeltern zuhören – für sie sicherlich eher Krach als Musik. Aber für den Enkel machten sie es natürlich gerne.
Was passiert jetzt mit den Mixtapes?
Gut 40 Tapes habe ich mittlerweile überspielt! Darunter sind, wie ich dank Beschriftung sagen kann, fast alle der ersten 18 Techno-Mixtapes, die ich gemischt habe. Ob es noch mehr Mixtapes gab, weiß ich gar nicht mehr. Wahrscheinlich sollte ich meine alten CDs durchforsten, denn spätestens ab 1997 hatte ich die Möglichkeit, direkt auf Festplatte aufzunehmen und davon eine CD zu brennen.
Die Bänder selbst habe ich alle fotografiert (wie man sehen kann) und wieder an einem sicheren Ort verräumt. Auch das DCC-Deck steht wieder auf einem Regal und staubt weiter ein. Wahrscheinlich werde ich weder Bänder noch DCC-Deck jemals wieder nutzen (außer ich finde zufällig noch ein paar Bänder), aber solange noch Platz da ist, will ich es nicht wegwerfen.
Was wesentlich mehr Arbeit gemacht hat, und womit ich noch nicht komplett fertig bin, ist die Erstellung der Tracklist meiner Mixtapes. Leider habe ich damals bei meinen Live-Mixes darauf verzichtet, auch gleich aufzuschreiben, welche Tracks ich gespielt habe. Viele davon sind mir heute noch in guter Erinnerung – auch weil sie mittlerweile ebenfalls digitalisiert auf Festplatte bzw. USB-Stick im Auto zu hören sind, aber bei manchen Liedern weiß ich derzeit nicht, was da eigentlich gespielt wird.
Vielleicht habe ich die Lieder noch nicht entdeckt, vielleicht sind sie noch nicht digitalisiert. Ihr kennt das ja – es gibt immer etwas zu tun.
Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht, und eine Menge alter Erinnerungen wurden dadurch reaktiviert!
2 Antworten
[…] Mein DCC Recorder scheint die ersten 25 Jahre gut hinter sich gebracht zu haben, denn er funktioniert noch tadellos. Allerdings habe ich ihn seit Ende der 1990er Jahre auch im Grunde nie mehr genutzt: MiniDisc und CD-R haben ihn sehr schnell abgelöst. Ende 2018/ Anfang 2019 habe ich meine DCC-Sammlung überspielt – was ich hier beschrieben habe. […]
[…] Disk (3,5″)“. OK, da wusste ich schon, dass auf dieser Diskette die Original-Vorlagen für meine DCC-Cover zu finden waren (mit PageStream erstellt), was mich schon erfreute, aber als ich mir den Inhalt […]