IT-Sicherheit 1990: Monatliches „Virus-Telex“ anstelle Virenscanner.
Beim Durchstöbern alter Computerzeitungen fand ich (aus heutiger Sicht) Skurriles: Die Werbung für ein „Virus-Telex“, das aus damaliger Sicht so etwas wie einen „Virenscanner“ von heute darstellt. Aber was genau es ist und was man dafür zahlen soll, das ist schon wirklich bemerkenswert.
Das Motto 1990: Keine Angst vor Viren dank Virus-Telex.
Computerviren sind keine Erfindung der IT-Neuzeit (damit meine ich dieses Jahrtausend), sondern schon einige Jahrzehnte älter. Die Fachwelt ist sich nicht ganz sicher, wann der erste „echte“ Computervirus das Leben erblickt hat, aber spätestens Mitte der 1980er Jahre waren sie da. Ich persönlich habe meinen ersten Virus, den „SCA“ Bootvirus, irgendwann 1987 auf einer meiner Disketten gehabt. Zum Glück konnte man zu dieser Zeit Viren noch leichter loswerden, da es z.B. auch so gut wie keine Heimcomputer mit Festplatte gab. Schaltete man den Rechner aus, war auch der Virus garantiert vom Rechner entfernt.
Dennoch entwickelten sich Viren schnell zu einer ernsten Bedrohung, denn damals waren sie wesentlich zerstörerischer unterwegs als heute: Während moderne Viren darauf aus sind, Passwörter oder Geldüberweisungen abzugreifen und ansonsten am liebsten gar nicht auffallen wollen, gab es um die 1990er Jahre viele Viren, deren Aufgabe es war, Dateien zu löschen.
Virenscanner, so wie wir sie heute kennen, gab es damals allerdings nicht. Auch hier ist man sich nicht einig, wann die ersten Antivirenprogramme auf den Markt kamen, aber nicht vor Ende der 1980er Jahre.
Zu diesen Zeiten waren Heimcomputerbesitzer generell erfahrener als der heutige Durchschnitts-„Surfer“, also konnte man ihnen auch mehr zutrauen. Der Vogel-Verlag aus Würzburg brachte, so habe ich in dieser Werbung erfahren, zumindest eine zeitlang das „Virus-Telex“ heraus.
Motto: „Keine Angst vor Viren„.
Immerhin schon 120 Computerviren (!) zählten die Viren-Spezialisten zu diesem Zeitpunkt laut Eigendarstellung. („Tendenz steigend„, ich lach mich kaputt!) Bei der Beschreibung war man nicht ganz so zimperlich: „Darunter gibt es ganz kriminelle Bazillen, die den PC lahm legen oder Daten unwiederbringlich löschen können.„
Aber zum Glück gab es ja das „Virus-Telex“ mit seiner schwarzen Liste. In Ermangelung eines modernen Internets hat man zu anderen, bewährten Mitteln gegriffen, um die Viren zu klassifizieren: Papier und Ordner! Man muss sich das einmal vorstellen: Ein Heimanwender oder auch ein IT Administrator einer Firma durchsucht den Ordner Seite für Seite, ob er dort Symptome beschrieben findet, die auf einen Virenbefall seines Rechners schließen lassen. Und wenn er fündig wurde, dann kann er ja zu den „erprobten Methoden zur Bekämpfung der Schädlinge“ greifen. Macht das mal heutzutage bei über 100.000 bekannten Viren/ Würmern/ Trojanern alleine nur auf Windows-Rechnern…
Sicherheit hatte schon immer ihren Preis 🙂
Billig war der Spaß allerdings nicht. Während heute einige Antivirenhersteller ihre Software für Privatanwender umsonst verteilen (z.B. Avira, deren Tool ich schon seit Jahren nutze), musste man damals tief in die Tasche greifen: 390 DM musste man dafür hinlegen (entspricht einem Kaufpreis von 322 Euro im Sommer 2014), um über ein Jahr Monat für Monat neue Blätter mit Viren (oder Gerüchte über Viren) zu erhalten. Wer schnell genug war, konnte 100 DM sparen :).
Ach ja: Der Ordner war im Preis mit enthalten, da ließ man sich nicht lumpen… und man erhielt nicht nur 12 Ausgaben für 1990 – auch die beiden ersten Ausgaben von 1989 gab es in diesem Paket ohne Aufpreis mit dazu.
Viren-Arbeitsgruppen in sync!
Die Gefährdungsanalyse liest sich heute ein wenig drollig: „Über 400 Viren-Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt tauschen Erfahrungen und Ergebnisse aus, …“ Da hat man doch gleich Bilder von Menschen in weißen Kitteln und roten Telefonen vor dem geistigen Auge, die in großen Räumen mit kühlschrankgroßen Rechnern halbkreisförmig wie in einem Amphitheater sitzen und auf eine riesige Weltkarte schauen, auf der bei jedem neuen möglichen Virusfund ein rotes Licht anfängt zu blinken. („Tokyo sagt, sie können nichts finden!“ – „Was meint Berlin?“ – „In Berlin schlafen gerade alle.“ – „Verdammt! Gebt mir Rex Krämer!“ – „Wie ist der Status aus New York?“ – „Kein Befall.“ usw. usf.)
Ich weiß nicht, wie lange dieser Service aufrecht erhalten wurde. Da die Zahl der Viren aber exponentiell anfing zu steigen und gleichzeitig auch bald darauf das Internet Einzug in die (Semi-) professionelle IT hielt, glaube ich nicht, dass das Virus Telex länger als zwei Jahre erschien.
Eine Antwort
[…] damals natürlich nicht so zahlreich. Tatsächlich waren es so wenige, dass sich ein eigenes „Virus Telex“ anbot, den man abonnieren konnte, und der jeden einzelnen Virus beschrieb: Übertragung, […]